Focus-Herausgeber Helmut Markwort mag keine Grünen. Das sie in Umfragen zuletzt so gut abschnitten, scheint ihn zu ärgern. So sehr, dass er sich in der Ausgabe 48/10 des Magazins in seinem Tagebuch zu einem groben journalistischen Foul hinreißen ließ. Dazu gräbt er einen Ausspruch des Sozialdemokraten Kurt Schumacher aus, der 1946 gesagt hatte, Kommunisten seien in Wirklichkeit rotlackierte Faschisten. Markwort fügt dem nun hinzu "Über die Grünen lässt sich sagen, dass sie grünlackierte Sozialisten sind." Den Sozialisten stand Schumacher übrigens nahe. Markwort überlässt es dem Leser, nun den scheinbar logischen Schluss zu ziehen, Grüne seien insgeheim Faschisten, also rechtsgerichtete, totalitätre Feinde der freien Gesellschaft. Sozialisten sind zwar noch keine Kommunisten, aber gewissermaßen die Vorstufe davon. So werden aus den Grünen böse Sozialisten mit faschistischen Ambitionen gemacht. Markwort sagt es nicht direkt, aber man darf annehmen, dass diese Allegorie gewollt war, denn sonst wäre das Schumacher-Zitat hier überflüssig. Es gibt auch den Begriff des "Linksfaschismus", der hier wohl gemeint ist. Bei Wikipedia lesen wir zum Linksfaschismus unter anderem: "Rechtsextremisten verwenden den Begriff vor allem zur Diffamierung politischer Gegner." Wer im Glashaus sitzt ... Für diese Entgleisung gibt es prompt Beifall aus dem rechten Lager. Die Neokonservativen begrüßen dass neue Feindbild, dass hier aufgebaut wird. Bisher kannte man derartige Hetze nur von rechts-konservativen Hasspredigern auf versteckten Internetseiten. Focus macht sie nun salonfähig. Eine (immer noch) demokratische Partei, deren Wähler und eine ganze Bewegung für Umwelt- und Naturschutz werden verunglimpft. Sie werden als totalitär, demokratie- oder gar verfassungsfeindliche Gruppierung dargestellt. Diese Polemik ist der verzweifelte Versuch, von den eigenen Unzulänglichkeiten oder denen der bevorzugten Partei abzulenken.
"Die Grünen zielen auf die MItte" heißt es mehrdeutig in der Überschrift. Wenn jemand auf jemanden zielt, ist das eine Bedrohung. Zum Glück bietet sich die Focus-Redaktion gleich als Beschützer an, der die bedrohte Mitte in der Lücke zwischen CDU und NPD in Sicherheit bringen will. In die "Mitte" gehören nun einmal die Neokonservativen, da stören aufsässige Grüne nur. Der Aufklärer ein Verführer - das also ist des Pudels Kern. Hier wird gezielt Stimmung gegen Andersdenkende gemacht, eines Nachrichtenmagazins unwürdig.

Renate Künast oder Bärbel Höhn und andere sind sicher Leitfiguren, die man nicht unbedingt lieben muss und sie passen keinesfalls in ein konservatives Weltbild, obwohl auch sie etwas bewahren wollen. Doch deswegen gleich alle Grünen und in der Folge alle Naturliebhaber und Umweltschützer zu diffamieren, geht entschieden zu weit. Die Mehrzahl der Regelungen und Gängelungen, über die so viele schimpfen, haben sich nicht die Grünen ausgedacht, sondern CDU/CSU und ihre Koalitionspartner. Das wird gerne übersehen. Kreise rechts der CDU brauchen ein Feindbild und da kommen solche Freigeister gerade recht. Sie werden für alles Schlechte im Land verantwortlich gemacht wie in früheren Zeiten die Juden, egal, ob sie etwas dafür können oder nicht. Sie einfach zu Faschisten zu erklären anstatt sich mit sachlichen Argumenten mit ihnen auseinander zu setzen, zeugt von eigener Schwäche. Jemand hat mal gesagt, die Grünen-Wähler seien FDP-Wähler mit Verstand. Gab es in der FDP also lauter Faschisten, die zu den Grünen übergelaufen sind?
Zum Wesen der Demokratie gehört auch, dass man Andersdenkende respektiert. Wer so polemisch agitiert wie Helmut Markwort, dem fehlen offenbar echte Argumente und ein gewisses Demokratieverständnis. Die Grünen können inzwischen als Volkspartei bezeichnet werden, mehr als jeder Fünfte würde sie heute wählen. Das heißt, was Focus hier zum Besten gibt, grenzt an Volksverhetzung. Es ist undemokratisch und damit stellen sich Focus und sein Herausgeber auf eine Stufe mit denen, die sie so verteufeln.

Ich habe schon vor einiger Zeit in einem anderen Beitrag (zum Artikel) auf den latenten Extremismus in Deutschland hingewiesen. Ich hatte nicht damit gerechnet, so bald bestätigt zu werden. Bedenklich ist vor allem, dass nun ein einst angesehenes Nachrichten-Magazin ganz offen Hetzkampagnen betreibt. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann auch aus der entgegengesetzten politischen Ecke entsprechende Artikel auftauchen. Die politische und die journalistische Kultur in unserem Land gehen verloren.