Wer möchte nicht gerne zu den ganz Großen gehören? Die derzeitige Bundesregierung möchte es auf jeden Fall. Da ist es schon ärgerlich, wenn man als viertgrößte Wirtschaftsmacht ansonsten nicht so recht ernst genommen wird. Wir sind kein ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates, bei wichtigen strategischen Entscheidungen werden wir nur informiert und im Spionageklub der "Five Eyes" dürfen wir auch nicht mitspielen. Das will unsere Regierung nun ändern. Deutschland sei zu groß, um die Weltpolitik immer nur zu kommentieren, befand Außenminister Steinmeier und auch Verteidigungsministerin von der Leyen möchte sich mehr einmischen, mit einer familienfreundlichen Bundeswehr. Die deutlichste und zugleich enttäuschendste Äußerung kam von Bundespräsident Joachim Gauck. Deutschalnd solle sich "früher, entschiedener und substantieller einbringen", forderte er. Und Pazifismus dürfe kein Deckmantel für Bequemlichkeit werden. Was die Politiker damit indirekt meinen, ist: Deutschland soll sich verstärkt an Kriegseinsätzen beteiligen. Offen würden sie das natürlich nie aussprechen. Enttäuschend und traurig sind solche Äußerungen auch deshalb, weil sie aus dem Munde eines ehemaligen Pastors stammen, eines Mannes, der dem Frieden verpflichtet sein sollte. Frieden schaffen, notfalls mit Gewalt? Auch von der Leyen ist verlogen, wenn sie sagt, wir dürften nicht länger wegschauen, wenn Mord und Vergewaltigung an der Tagesordnung sind. Doch genau das werden wir weiterhin dort tun, wo wirtschaftliche Interessen dem Schutz von Unterdrückten entgegen stehen. Wir wollen es uns ja nicht mit den "Freunden" oder (Handels)Partnern verderben. Im Zweifelsfall gilt: Gut ist, was unserer Wirtschaft nützt.
Wer hätte es vor kurzem noch für möglich gehalten, dass wir einen Christian Wulff oder Guido Westerwelle einmal vermissen würden?

Für die neue deutsche Kampfbereitschaft gibt es zwei wesentliche Gründe. Zum Einen ist da der Wunsch nach Anerkennung und Respekt, der Wunsch, auf Augenhöhe mit den anderen Weltpolizisten zu sein. Und der Hintergedanke, auf diese Weise die Freundschaft der Amerikaner gewinnen zu können. Doch was die von der EU halten, und damit wohl auch von Deutschland, hatte kürzlich die US-Diplomatin Victoria Nuland unfreiwillig ausgeplaudert - nämlich nichts ("fuck the EU"). Sich dort anbiedern zu wollen, ist also eher sinnlos.
Der zweite Grund ist wirtschaftlicher Natur. Kriegseinsätze in der dritten Welt haben den Menschen dort kaum jemals Frieden, Freiheit, Sicherheit und Fortschritt gebracht. Doch sie finden gerne dort statt, wo es wichtige Rohstoffe gibt, die für unsere Wirtschaft von Bedeutung sind, oder wo man billig produzieren kann. Auch bei uns gibt es Stimmen, die fordern, dass wir unseren Anteil daran sichern müssten. Schon heute schmieren wir korrupte Regimes, um Zugang zu wertvollen Ressourcen zu bekommen. Die Waffen-Lobby freut sich schon. Sie beliefert Freund und Feind gleichermaßen.

Von solchen Einsätzen würde vor allem die Rüstungsindustrie profitieren. Das kann durchaus zu der geradezu perversen Situation führen, dass deutsche Soldaten im Auslandseinsatz mit Waffen "Made in Germany" beschossen werden. Frieden entsteht nicht durch Auf-, sondern durch Abrüstung. Kampfeinsätze beseitigen nicht die Ursachen, sondern versuchen, mit Gewalt eine instabile Situation zu fixieren. Unruhen, Bürgerkriege oder übergreifende Auseinandersetzungen entstehen in den meisten Fällen dadurch, dass Menschen unzufrieden mit ihrer Lage sind, dass sie keine Perspektiven für sich sehen, aus Verzweiflung über Armut und Hunger, aus Wut auf die, denen es besser geht. Despoten, die aus Machtgier ihre Nachbarn überfallen, wurden zuvor von den Industrieländern mit Waffen beliefert. Hier muss Deutschland ansetzen, und zwar sowohl die Regierung als auch die Wirtschaft. Wir haben gezeigt, dass man auch ohne Großmachtstreben wirtschaftlich erfolgreich sein kann. Die Welt hat größere Probleme und die können wir nur im friedlichen Miteinander lösen. Wir brauchen keine Stellvertreter-Kriege. Wir müssen nicht Kampfeinsätze unterstützen, sondern Friedensbemühungen und dabei notfalls auch "Freunden" auf die Füße treten. Die Soldaten gehen irgendwann wieder, die Probleme aber bleiben. Die Kriege unter Führung der USA haben nicht zu mehr Frieden und Freiheit in der Welt geführt, sondern zu mehr Hass auf die selbsternannte Weltpolizei, zu mehr Instabilität und zu höherer Terrorgefahr. Wir sind mit Schuld daran, dass Menschen hungern, weil wir sie daran hindern, ihre Lebensumstände zu verbessern, weil wir die Meere vor ihren Küsten leerfischen, weil wir ihre Märkte zerstören.  Die Ungleichgewichte in der Welt dürfen nicht mit Gewalt zementiert werden, sondern sie müssen beseitigt werden. Wer satt und zufrieden ist, geht nicht auf die Barrikaden. Hier kann und muss sich Deutschland stärker einbringen, hier dürfen wir nicht nur als Kommentator zusehen. Hier müssen wir Überzeugungsarbeit leisten. Das ist schon schwierig genug. Pazifismus ist eben nicht nur eine Sache der Bequemlichkeit, er ist vor allem eine Sache der Vernunft. Es wäre schön, wenn die Bundesregierung das erkennen würde, allen voran der Bundespräsident.