3. Der Aufstieg des Klosters

Schon sehr bald begann die Reinfelder Abtei, ihren Einflussbereich auszudehnen. Mit dem Bau der Zar­pener Pfarr­kirche (1221) wurde die Bevölkerung der Umgebung enger an das Kloster gebunden. Zehn Jahre später erwarb das Kloster Anteile an der Lüneburger Saline, eine Verbindung, die sich später als überaus einträglich erweisen sollte. Vier so genannte „Vorwerke“, kleine Höfe, entstanden außerhalb des Klostergeländes. Sie unterstützen die Mön­che bei ihrer Arbeit und der Produktion von Lebensmitteln. Die beiden nächstgelegenen waren der Steinhof und der Neuhof. Die Zisterzienser beschäftigten sich kaum mit geistigen oder wissenschaftlichen Dingen. Für sie galt die Arbeit als Gottesdienst getreu ihrem Motto „ora et labora, bete und arbeite“. Entsprechend emsig weiteten sie Fel­der und Äcker aus. Sümpfe wurden trockengelegt und Wälder gelichtet. Dabei entstanden auch neue Siedlungen wie die zahlreichen "Kamps" (von lat. Campus = Feld), z.B. Lehmkamp, Poggenkamp, Hohenkamp, Binnen­kamp, Heidekamp.

Große Hilfe bei der Bebauung der Felder leisteten neben den Laienbrüdern auch die freien Bauern aus der Umgebung des Klosters. Wo die eigene Arbeitskraft nicht mehr ausreichte, wurden Ländereien verpach­tet. Zwar verstieß das Einnehmen von Pachtzins gegen die Ordensregeln, aber die Klosterbrüder fanden offenbar zunehmend Gefallen an irdischen Gütern. Gleichzeitig wurden freund­schaftliche Beziehungen zur Stadt Lübeck geknüpft. Im Jahre 1266 erhielt die Abtei die Genehmigung, innerhalb der Lübecker Stadtmauer an der Marlesgrube einen "Reinfelder Hof" zu errichten. Mitte des 14. Jahrhunderts ent­stand daraus die Siedlung "Klein Reinfeld" an der Obertrave, die zum Mittelpunkt der klösterlichen Handelsbeziehungen wurde. Bald schon begannen die Mön­che auch, in einigen der umliegenden Dörfer sowie am Ablauf des Herrenteichs Wassermühlen zu bauen, in denen Getreide gemahlen wurde. Daraus bezogen sie, entgegen der Ordensregel, zusätzliche Einnahmen. Überschüssige Ernteerträge wurden über die damals schiffbare Mühlenau mit Lastkähnen nach Lübeck verfrachtet und in den "Klein Reinfelder" Kornspeichern gelagert. Ein Teil wurde von dort aus sogar nach Dänemark und Schweden ver­schifft. Später wurde auf dem selben Weg Korn aus Ostholstein und Dänemark zugekauft, dafür wurde Holz aus den eigenen Wäldern verkauft.
 
Die oft sehr hohen Gewinne aus Getreideverkäufen, Pachten und der Saline legten die Äbte voraus­schauend in Grundbesitz an. Auf diese Weise sowie durch Erbschaften und Schenkungen erwarb das Kloster immer mehr Höfe, Mühlen, Güter und sogar ganze Dörfer. Bis 1347 waren dies in der Nähe Klein Wesenberg, Badendorf, Havighorst, Benstaben, Neuengörs, Meddewade, Seefeld, Bahren­hof und Bühnsdorf. Hinzu kamen Besitzungen auf den Elbinseln, in Lauenburg, Ostholstein, Mecklen­burg, Pom­mern und sogar in Livland (heute Estland und Lettland). In der Blütezeit gehörten fast 60 Ortschaften zum Einzugsgebiet des Klosters. Damit war das Reinfel­der Kloster das reichste und mäch­tigste Kloster im Holsteiner Land. Zudem erhielt das Kloster eine Reihe von Privilegien. Durch den Papst Innozenz IV. wurde dem Reynevelder Abt 1254 die Sorge für die Aufrechterhaltung des von den Lübeckern bestä­tigten kaiserlichen Freiheitsprivilegs übertragen. Drei Jahre später erhielt der Abt den Auftrag, nie zu gestatten, dass Lübecker Bürger ohne päpstliches Spezialmandat vor auswärtige geistli­che Gerichte zitiert noch die Stadt selbst mit Bann belegt würde. Damit gewann die Stellung des Klosters gegenüber der Hansestadt und die des Abtes gegenüber dem Lübecker Bischof noch einmal an Bedeutung.
1419 wurde das Kloster sogar von der Unterstellung unter den Bischof von Lübeck befreit. So gesehen, scheinen die Päpste in Rom mit dem Treiben der Mönche an der Heilsau durchaus einverstan­den gewe­sen zu sein. Die Reinfelder Äbte setzten konsequent fort, was sich nur knapp 100 Jahre nach Bernhard von Clairvaux im Orden abzeichnete, die völlige Abkehr von den hehren Zielen. Innerhalb weniger Jahr­zehnte wurde aus dem einfachen Kloster ein florierendes, gewinnorientiertes Unternehmen mit weit ver­zweigten Besitzungen und Beteiligungen. Heute würde man das wohl eine Holding nennen.

Einziger Dorn im Auge der Äbte war Zarpen geblieben, das Mitte des 13. Jahrhun­derts zur Stadt gewor­den war. Die Einwohner sorgten beson­ders im Bereich der Waldwirtschaft für immer neue Schwierigkei­ten. Erst 1473 konnte Abt Johannes II. König Christian I. dazu überreden, durch das Edikt von Segeberg die „Stadt Lübischen Rechts Zarpen“ für immer zum Dorf zu erniedrigen.