Das Rätsel der Merkel-Raute
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Über die "Raute", die Kanzlerin Angela Merkels Hände so gerne formen, wurde schon viel spekuliert und gelästert. Nun versuchen die Werbestrategen der CDU, daraus ein Markenzeichen zu machen. Überdimensional und fast schon erdrückend sieht man sie in Berlin auf einem riesigen Plakat. Nur die Hände in ihrer typischen Haltung, sonst nichts. Selten hat ein Bild die Essenz des Wahlprogramms einer Partei besser auf den Punkt gebracht als dieses: Nichts. Keine Aussage, kein Inhalt. Vermutlich soll das Bild signalisieren "bei mir ist alles in guten Händen", aber ob das auch so ankommt?
Über die wahre Bedeutung der Merkel-Raute wurde schon viel diskutiert. Einige der verbreiteten Thesen sind:
Ein geheimes Zeichen des Templer-Ordens (was wäre daran jetzt noch geheim?),
Ein indisches Chakra, das die Energien besser fließen lassen soll,
Eine Empfehlung eines Ergo-Therapeuten, um den Oberkörper aufrecht zu halten (wer es ausprobiert, stellt fest, dass das nicht viel hilft),
Ein geheimes Zeichen der Lesben (Ups?),
Ein Symbol der Macht (warum sieht man es dann so selten von anderen?).
Angela Merkels Erklärung war ganz einfach: "Ich wusste nicht wohin mit meinen Armen".
Die Wahrheit könnte etwas einfacher sein. Eine mögliche Erklärung ist diese: Die Hände formen eine Art Höhle, die Schutz und Geborgenheit verspricht. "Kommt zu mir, ich beschütze euch" könnte die Aussage lauten sollen. Damit würde das Riesenplakat einen gewissen Sinn bekommen.
Eine weitere Erklärung liefert der Pantomime und Experte für Körpersprache Samy Molcho. Die Haltung der Hände kann zweierlei bedeuten: Die Finger sind leicht gespreizt, die Spitzen berühren sich locker. Sie suchen nach Berührungspunkten, nach Gemeinsamkeiten mit anderen. Tatsächlich gehört "gemeinsam" neben "Wachstum" und "Wettbewerbsfähigkeit" zu den Lieblingsworten der Kanzlerin. Es wird in jeder Rede und sogar im CDU-Werbespot (dreimal) bis zum Überdruss strapaziert. Angela, die Einsame?
Für die zweite Bedeutung müssen wir uns an den Beginn ihrer Kanzlerschaft erinnern. Merkel pflegte die Hände oft in ähnlicher Weise wie heute, aber die Finger geschlossen, wie einen Keil oder einen Schutzschild vor sich auf den Tisch zu legen und manchmal auch auf Bauchhöhe zu halten. Diese Geste sagt "ich bahne mir meinen Weg", aber auch "ich leite alles Ungemach, alle Probleme, alle Gegenargumente einfach an mir vorbei." Das findet sich weiterhin in der berühmten Raute, wenngleich in abgeschwächter Form. Die Hände sind etwas nach unten gesenkt, was weniger bedrohlich wirkt. Die frühere Geste wirkt weniger sympatisch, vielleicht hat ihr ein Berater deshalb zu der offeneren Variante geraten? Vor diesem Hintergrund erscheint die "Merkel-Raute" doch weniger als die beschützende Höhle, sondern eher wie ein etwas löchriger Schirm, mit dem sich die Kanzlerin vor der Welt schützen will, und eine Sammlung von Spießen, mit denen sie Gegner aus dem Weg räumt.