Standing Ovations für Steuersünder
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Normalerweise fordert man, dass Steuersünder bestraft werden und das wars dann. Bei Uli Hoeneß ist das anders. Auf der Jahresversammlung des FC Bayern München bekam er von seinen Anhängern für seinen mitleidheischenden Auftritt stehende Ovationen und langanhaltenden Applaus. Wofür? Wo leben wir eigentlich? Was hätte dieselbe Menge wohl gefordert, wenn nicht der Präsident eines erfolgreichen Fussballclubs, sondern ein Politiker oder Banker, vielleicht gar ein Josef Ackermann, auf dem Podium gestanden hätte? Vermutlich hätte sie ihn ausgepfiffen und gerufen "kreuzigt ihn" oder etwas ähnliches. Warum gelten für Hoeneß andere Maßstäbe?
Er hat viel dazu beigetragen, aus dem FCB einen der erfolgreichsten Vereine zu machen. Zumindest die Fussballsparte bescherte uns viele schöne Spiele, Siege und Trophäen. Momente der Glückseeligkeit im grauen Alltag. Dafür verzeiht man schon einiges. Brot und Spiele hieß das bei den Römern und an die römische Dekadenz fühlt man sich auch erinnert. Was sind da schon ein paar hinterzogene Millionen, selbst wenn er das Volk darum betrogen hat? Auch der CSU verzeiht man gerne Selbstbedienung und Spezlwirtschaft, solange es einem selber dabei gut geht.
Bekommt der Bayern-Präsident gerade in Bayern soviel Rückhalt, weil (nicht nur) dort viele "ein bißchen Hoeneß" sind? Wer schummelt nicht mal ein wenig bei der Steuerklärung oder fragt den Handwerker nach einem Angebot "ohne Rechnung"? Applaus für einen Steuerhinterzieher - das ist bezeichnend für den Werteverlust einer Gesellschaft.
Uli Hoeneß gibt sich gerne als Wohltäter und stellt hohe moralische Ansprüche an andere. Würde er diese Maßstäbe bei sich selbst anlegen, so müsste er konsequenterweise zurücktreten und nicht auf eine Vertrauensfrage warten, deren Antwort er schon kennt. Ein Vorbild ist er nicht mehr. Er wusste, was er tat und hat bis zuletzt auf ein Steuerabkommen mit der Schweiz spekuliert, das ihm eine weitreichende Amnestie gebracht hätte. Er ist zu behandeln wie jeder andere Steuersünder diesen Kalibers. Eine Vorverurteilung hat er nicht verdient, aber auch kein Mitleid oder gar Beifall.