Kohl-Tage
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In Dithmarschen waren wieder Kohl-Tage. Das hat seit langem Tradition. Wenn in Europas größtem zusammenhängenden Kohlanbaugebiet der erste neue Kohl geerntet wird, dreht sich alles um die passenden Gerichte. Außerhalb Dithmarschens (das liegt übrigens in Schleswig-Holstein) interessiert das allerding niemanden wirklich. Und so stehen im Rest Deutschlands die Kohl-Tage der CDU im Mittelpunkt. Die Union feiert den dreißigsten Jahrestag - nicht einmal ein echtes Jubiläum - des Amtsantritts von Helmut Kohl. Das man den Jahrestag einer putschähnlichen Machtübernahme feiert, kennen wir eigentlich nur von Diktaturen. Naja, ein bisschen war es ja auch so. Nun versuchen Teile der CDU, das Denkmal, das sich selbst vom Sockel gestürzt hatte und bisher in Ungnade stand, wieder aufzurichten. Es gibt ja sonst auch wenig Grund zum feiern.
Was soll die plötzliche Huldigung? Mit Kohl verbunden ist die Wiedervereinigung, die uns Rekordschulden bescherte. Sie sollte sich von selber finanzieren, doch wir zahlen auch nach über 20 Jahren noch immer den Soli. Von den blühenden Landschaften keine Spur. Die Wiedervereinigung kam zu überhastet, der um seine Wiederwahl fürchtende Kanzler musste darauf drängen, um als "Wiedervereinigungskanzler" in die Geschichtsbücher eingehen zu können. Dieses Ziel hat er erreicht, doch den Preis für diesen Machtwahn und Geltungsdrang werden noch etliche Generationen zahlen müssen. Das es die Wiedervereinigung ohne Kohl nicht gegeben hätte, ist und bleibt reine Spekulation. Sie wäre wohl später gekommen, nicht so abrupt und es wäre besser und natürlicher zusammengewachsen, was zusammengehört. Das sie möglich wurde, ist vor allem das Verdienst von Michail Gorbatschow, der die wirklichen Zeichen der zeit erkannt hatte und besonnen, gegen seine Militärs, vorging.
Helmut Kohl gilt auch als einer der Väter des vereinten Europas und des Euros. Das war wohl der Preis für die Wiedervereinigung, den Deutschland zahlen musste, damit Großbritannien und Frankreich zustimmen konnten. Kohl hatte selbst erkannt, dass eine Währungsunion ohne politische Union auf Dauer nicht bestehen kann, und dennoch trieb er die Währungsunion voran, für ein weiteres Kapitel im Geschichtsbuch. Die Folgen spüren wir heute, der Euro droht Europa zu spalten.
Was bleibt noch von Kohl in Erinnerung? Ein ungeeignetes Atommülllager, ein machtbesessener, arroganter Bundeskanzler, den sein Hochmut am Ende zu Fall btachte, Leuna, Spendenaffaire, schwarze Kassen, Gedächtnislücke. Die Junge Union ernannte ihn einmal zu ihrem Idol. Ein Idol ist ein Abgott. Und das in einer christlichen Partei? Heißt es nicht im ersten Gebot "du sollst keine anderen Götter haben neben mir?" Gut, der Begriff "Idol" wird auch für "Vorbild" verwendet. Doch was für ein Vorbild ist jemand, der Rechtsbrecher schützt, ihnen sein Ehrenwort gibt und das auch noch über das Grundgesetz stellt? Dafür verehrt zu werden, das gibt es sonst nur in Bayern.
Nun soll auch noch eine Briefmarke mit seinem Konterfei erscheinen. Sie wird ihn wohl von vorne zeigen. Wer mag, kann ihm dann die Rückseite ablecken. Wir können ihn alle mal...
Wenn ich mir diese ganze Geschichte durch den Kopf gehen lasse, dann frage ich mich, in was für einem Zustand die CDU sein muss, wenn sie daraus einen Grund zum feiern macht. Diese die Vergangenheit verklärenden Jubelfeiern muten etwas seltsam an. Da sind mir die Dithmarscher Kohl-Tage doch lieber.