1. Aus der Frühzeit

 

Die Stadt Reinfeld verdankt ihre Existenz dem Umstand, dass hier vor über 800 Jahren (genauer: 1186 n. Chr.) ein Kloster gegründet wurde. Von dem Kloster ist nichts mehr übrig, nur einige Straßen- und Flurnamen sowie die Teiche und die Karpfenzucht erinnern noch daran. Doch die Geschichte der Region beginnt viel früher. Lange bevor das Kloster „Reynevelde“ gegründet wurde, war der Raum Nordstormarn durchaus nicht unbesiedelt. Viele der heutigen Dörfer gab es auch damals schon, einige von ihnen entstanden bereits in der Bronzezeit. Manche der alten Siedlungen sind inzwischen wieder verschwunden, nur wenige Flurnamen sind von ihnen geblieben. Die ersten Menschen dürften vor etwa 15000 Jahren, gegen Ende der letzten Eiszeit, als Rentierjäger das heutige Stormarn durchstreift haben. Aus dieser Zeit gibt es nur sehr wenige Funde. Erst zum Ende der Steinzeit, etwa 2000 v. Chr., wurde die Besiedlung dichter, vor allem entlang der Trave und des Heilsautales, wo sich der Boden leichter bebauen ließ.Hnengrab bei Reinfeld Der auffälligste Hinweis auf eine frühe Siedlung an der Heilsau ist das Hünengrab im „Neuen Hau“ bei Reinfeld, das letzte erhaltene in dieser Gegend, wenngleich inzwischen mehrfach restauriert. Es dürfte aus der Zeit der „Trichterbecherkultur“ etwa 3000 v. Chr. stammen. In Schleswig-Holstein sind noch ca. 120 weitere solcher Megalithanlagen bekannt. Ihr genauer Zweck ist nicht eindeutig geklärt. (1)

 

Wie die Funde zeigen, hielt die Bronze in Norddeutschland nur sehr zögerlich Einzug, doch schon bald brachten es die Handwerker auf dem Gebiet der Metallbearbeitung zu größter Geschicklichkeit. Zur Zeit der ersten Völkerwanderung, etwa 120-100 v. Chr., kam es zu einem weiteren Anstieg der Bevölkerungsdichte. Aus Schweden kamen die Sueben, aus Jütland die Kimbern und Teutonen. Sie wanderten weiter gen Süden, wo sie bald mit den Legionen Cäsars zusammenstießen. Rund 500 Jahre später schlossen sich viele Stormer und Sueben der zweiten Völkerwanderung in Richtung Süden, Südosten und Westen an. Als wahrscheinliche Ursache wird eine große Hungersnot angenommen, die durch klimatische Veränderungen entstand. Die Wildnis gewann wieder die Herrschaft über viele Siedlungen. Im 6. Jahrhundert wanderten aus Westen Sachsen in das leer gewordene Land ein. Um 700 n. Ch. drangen westslawische Stämme, die hier Wenden genannt wurden, aus Osten bis zur Trave vor. Die Wenden breiteten sich bald östlich einer Linie von der Ostsee bis nach Nordbayern aus. Für ihre Hilfe bei der Unterwerfung der Sachsen durch Karl den Großen erhielten sie 804 Land zugeteilt. Sie gründeten viele Siedlungen, die noch heute bestehen und deren Namen slawischen Ursprungs sind, z. B. Barnitz (Birkenbach), Pokense (Habichtswald, heute Poggensee), Pöhls (Feldheim), Dahmsdorf (wahrscheinlich von Dabu = Eiche), Cerben (heute Zarpen). Der Hauptstamm der Wagrier besiedelte schließlich den ganzen Raum zwischen der Trave bei Hamberge und der Kieler Förde. Noch heute heißt der Ostholsteiner Raum nördlich von Lübeck "Wagrien". Ein Grenzwall, der „Limes Saxoniae“, trennte die germanisch-stämmigen und die slawischen Völker voneinander. Trotzdem gab es bis ins 12. Jahrhundert hinein häufige Unruhen. Zeiten friedlichen Miteinanders wechselten sich mit Überfällen und Plünderungen ab. Erst im Winter 1138/39 gelang es den Stormarnern und Holsteinern in einem Rachefeldzug unter der Führung des Ritters Heinrich von Badwide im Auftrag des Grafen Adolf II. von Holstein, die Slawen endgültig zu unterwerfen und zum Teil zu vertreiben. Der Graf bekam Wagrien als Lehen zugeteilt und begann, deutsche Bauern aus dem Süden und Südwesten nach Süd- und Ostholstein zu holen, um das Land dort neu zu besiedeln. Sie gründeten auch in Stormarn neue Dörfer und Gemeinden wie z. B. Ratzbek, Feldhorst (ehemals Steinfeld), Willendorf, Stubbendorf und Rehhorst. Namen mit „ow“ oder „itz“ am Ende erinnern an den slawischen Ursprung. Neue Dörfer, die in der Nähe alter slawischer Siedlungen entstanden, erhielten oft zur Unterscheidung Vorsilben wie „Neu“ oder „Groß“, während die alten Siedlungen mit „Alt“ bzw. „Klein“ gekennzeichnet wurden. (Beispiele: Groß und Klein Barnitz, Neuen- und Altengörs). Manchmal wurden die ursprünglichen Bewohner aber auch vertrieben, wenn ihr Dorf auf dem besseren Boden stand.

 

Doch das Gebiet an der unteren Heilsau blieb weiterhin ein unbewohnter Sumpf. Um hier die Grundlage für eine Ansiedlung zu schaffen, brauchte man Fachleute, die mit wasserbautechnischen Aufgaben vertraut waren, die Urwälder kultivieren und Sümpfe trocken legen konnten und mit den zunächst rauen Bedingungen zurecht kamen. Als solche galten die Mönche des Zisterzienser-Ordens, zudem befand sich eines ihrer Klöster in der Nähe von Adolfs Stammsitz in Loccum am Steinhuder Meer, etwa 50 km westlich von Hannover. Adolf III. Stammte zwar aus dem Hause Schauenburg (auch Schaumburg), unterzeichnete Urkunden, die diese Grafschaften betrafen, aber stets mit dem Titel "Graf von Holstein, Wagrien und Stormarn".


Die Zisterzienser hatten sich 1098 von den Benediktinern abgespalten, die ihnen zu weltlich und zu prunksüchtig geworden waren. Unter Robert von Molesme entstand in Cîteaux (Burgund) das erste Kloster. Mit dem Eintritt Bernhard von Clairvaux‘s 1112 begann der neue Orden rasch zu expandieren.
Die Mönche wollten einfach und bescheiden nur von ihrer Hände Arbeit leben. Besitz, Schmuck, Prunk sowie Einnahmen aus Steuern oder Pacht (der „Zehnte“) lehnten sie ab. Auch ihre Kirchen waren äußerst schlicht ausgestattet, nur an hohen Feiertagen gab es einfachen Schmuck. Wie wir aber auch am Beispiel des Reinfelder Klosters noch sehen werden, hielten diese edlen Grundsätze nicht lange an. Viele Abteien wandelten sich zu gewinnorientierten Unternehmen. Historiker sprechen heute auch vom „Konzern der weißen Mönche“ (nach ihren hellen Kutten). Mit dem Aufkommen der Reformation ging ihre Ära schnell zu Ende.


Die Gründung des Reinfelder Klosters fällt in eine Zeit des Umbruchs. Die Zisterzienser hatten die Regel entschärft, wonach je 12 Mönche und Laienbrüder ein Kloster verlassen und andernorts ein neues gründen sollten, wenn ihre Anzahl die Zahl 60 erreichte. Diese Regel und der rege Zulauf zum Orden hatten zu einer geradezu explosionsartigen Ausbreitung in Mitteleuropa geführt. In der Folge ging die Zahl der Neugründungen stark zurück. Trotzdem entstanden gerade in Nord- und Nordostdeutschland noch einige neue Klöster. Die dortigen Herrscher, so auch Adolf III., betrieben zunehmend eine Politik der Germanisierung und Christianisierung, um ihre Macht vor allem gegenüber den slawischen Heiden zu festigen. Die Abteien bekamen auch politischen Einfluss und Gerichtsbarkeit zugestanden und so ist die relative Nähe des Reinfelder Klosters zu den bestehenden slawischstämmigen Siedlungen sicher kein Zufall.


So lud der Graf im Jahre 1186 Mönche des Klosters Loccum ein, das freie Land für die Gründung einer neuen Abtei zu nutzen. Auf dem noch heute so genannten Klosterberg bauten sie ihre erste Kapelle und Unterkünfte und legten damit den Grundstein für eine Arbeit, die die Landschaft nachhaltiger beeinflussen sollte als jede andere Siedlergruppe.