7. Die Zeit der Dänen und der Preußen

Matthias Claudius

Das 18. Jahrhundert hat Reinfeld sehr stark geprägt. In diese Zeit fällt auch die Geburt des größten Sohnes der Karpfenstadt, Matthias Claudius. Am 15. August 1740 kam er als Sohn des 14. Pastors dort zur Welt, wo heute das Alte Pastorat steht. Sein Geburtshaus wurde auf Betreiben des damaligen Pastors, der das Haus als eine „verfallene, düstere Hütte“ bezeichnete, die eher e inem Viehstall gleiche, 1781 abgerissen und ein Jahr später durch einen Neubau ersetzt. Das Claudius-Pastorat hat sich bis heute kaum verändert. Seine Jugend verbrachte er in Rein­feld; im Alter von 15 Jah­ren kam er zunächst auf die Plöner Lateinschule. Vier Jahre später studierte er in Jena anfangs Theologie, dann Literatur. 1762 kehrte er an die Heilsau zurück, um 1768 nach einer kurzen Beschäftigung als Sekre­tär in Kopenhagen nach Hamburg zu ziehen. Im Jahr darauf fand er seine neue Heimat in Wandsbe k. Anfangs arbeitete er als Journalist, dann wurde er, wie man heute sagen würde, für den kulturellen Teil der Zeitung "Der Wandsbec ker Bothe" tätig. Unter Claudius' Einfluss wurde die Zeitung in ganz Deutschland bekannt, dennoch konnte sie sich nur bis 1775 halten. Matthias Claudius ver­suchte sich daraufhin in verschiede­nen Berufen, widmete sich aber den größten Teil seiner Zeit der Schriftstellerei, obwohl ihm diese zu Leb­zeiten nur wenig einbrachte. Begegnungen mit Persön­lichkeiten wie Kloppstock, Herder und Lessing prägten seine späteren Werke.
 
Am 21. Januar 1815 starb ClaudiusClaudius Denkmal Reinfeld in Hamburg. Er wurde auf dem Wandsbeker Friedhof begraben.
 
Die Stadt Reinfeld ehrt den Dichter heute unter anderem mit diesem Denkmal am Herren­teich. Der stili­sierte Halbmond erinnert an eines seiner bekann­testen Gedichte "Der Mond ist aufgegan­gen." Man kann sich gut vorstellen, wie der Dichter diese Zeilen schrieb, während er in der Abend­dämmerung am Ufer des Herrenteiches saß. Doch das „Abendlied“ entstand wahrscheinlich nicht hier, sondern um 1777 während seiner Darm­städter Zeit.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 Nachdem im Jahre 1761 der letzte Plöner Herzog Friedrich Carl verstarb, ohne einen männlichen Nach­kommen zu hinterlassen, gingen die plöni­schen Lande durch einen Erbver­trag an das dänische König­reich. Ein Jahr später starb auch die Reinfel­der Herzogin Dorothea Christina. Das Schloss wurde nun nur noch vorn Amtsverwalter bewohnt und 1773 auf Abbruch an einen Ahrensburger Zimmermeister ver­kauft. Damit war auch dieses Kapitel der Reinfel­der Geschichte abgeschlossen. Erst 1838 wurde, nach­dem die Amts-Reinfelder Schulordnung reformiert worden war, hier ein Schulgebäude errichtet, wel­ches nun die Fleckens- und Parzellistenschule aufnahm. Das Gebäude erfüllte diesen Zweck bis 1975.

Die dänischen Verwaltungsbehörden begannen schon bald mit einer Neuordnung des kleinen Fleckens und seiner Umgebung. Von den 22 Amtsdörfern standen noch 8 in Leibeigenschaft zu den Klostervorwer­ken Steinhof und Neuhof. 1772 bekamen die Einwohner dieser Dörfer endlich ihre Freiheit und ihre Hufen zum Eigentum. Die großen Domänen und Vorwerke wurden vermessen und in 55 Parzellen aufgeteilt. Sie wurden größtenteils von Bauernsöhnen aus der Umgebung aufgekauft. Das alles geschah natürlich nicht ohne Hintergedanken: Außer der Bevölkerung kam die Neuordnung auch der Staatskasse zugute. In die­ser Zeit wurde auch der hohe Zaun des ehemaligen Thiergartens niedergerissen, der noch an die Her­zogszeit erinnerte. Mit Nach­druck wurde die Danisierung der Bevölkerung vorangetrieben. Von 1807 an wurden alle Erlasse in Dänisch veröf­fentlicht, ab 1811 wurde die Kenntnis der dänischen Sprache Voraus­setzung für die Zulas­sung zu Staats- und Kirchenämtern.
 
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es in Stor­marn wieder Unru­hen. 1806 flohen preußische Heeresteile nach der Schlacht von Jena und Auerstedt nordwärts. Nachdem sie von den Franzosen aus Lübeck ver­trieben worden waren, versuchten sie sich in Hamberge festzuset­zen. Bald darauf wurde Hamberge von den Fran­zosen besetzt. Später quartierten sich dort, wie auch in Rosenhagen und Steinfeld, russische Soldaten ein. Auch Reinfelder mussten zur Verpflegung der Solda­ten beitragen.
Ein weiteres Schicksal ereilte den aufblühenden Flecken 1823: Bis auf wenige Gebäude brannte das Dorf nieder, wurde aber schnell wieder aufgebaut und wuchs nun stetig. Eine Vielzahl neuer Häuser entstand an der Hauptstraße, der heutigen Paul-von-Schoenaich-Straße, der unteren Ahrensbö­ker Straße, im Gebiet Alter/Neuer Garten und Hamburger Straße. Außerdem wurden die Gemeinden Hamberge und Hansfelde angeschlossen.

Mehrfach fiel bereits der Begriff "Flecken". Reinfeld erhielt die Fleckensprivilegien erst 1840, zum Teil wurden sie jedoch schon früher genutzt. Die Fleckensrechte besagten in der Hauptsache, dass die Gewerbe- und Handeltrei­benden des Fleckens ihre Erzeugnisse auch über die Fleckensgrenzen hinaus anbieten durften. Die Globalisierung war noch nicht erfunden worden.

1843-51 versuchten die Herzogtü­mer einen Aufstand gegen die Dänen, der aber scheiterte. Auch aus dem Heilsaugebiet zogen junge Männer mit in den Krieg. Anschließend brach unter einem streng dänischen Amtsverwalter wieder ein­mal eine schwere Zeit an. Erst nach der endgültigen Niederlage Däne­marks 1864 ging diese Amtszeit zu Ende. 1867 wurden die Herzogtümer Schleswig und Holstein zu einer preußischen Provinz und in Reinfeld wurde eine preußische Verwaltung eingeführt.
 
Auch verkehrstechnisch wurde ein wichtiger Anschluss an die weite Welt geschaffen: Am 1. August 1865 nahm die „Lübeck-Büchener-Eisenbahnge­sellschaft“ die nach drei Jahren Bauzeit fertiggestellte neue Verbindung von Lübeck nach Hamburg in Betrieb. Der Reinfelder Bahnhof, der sich seitdem äußerlich kaum verändert hat, gehörte damals aller­dings noch zur Gemeinde Neuhof.

Mit der dänischen Herrschaft kam eine neue Verwaltung. Der Versuch, Dänisch als Amtssprache einzu­führen, kam bei den sturen Holsteinern allerdings weniger gut an und scheiterte schließlich. Dazu trug auch ein Wahlrein­felder etwas bei: Joachim Mähl. 1827 in Niendorf (heute Hamburger Stadtteil) gebo­ren, kam er 1854 als "Oberkna­benlehrer" an die Reinfelder Schule, an der er bis 1889 (zuletzt als Ober­mädchenlehrer) wirkte. Mähl liebte seine plattdeutsche Muttersprache und war der Überzeugung, dass die Verwendung der jeweiligen Muttersprache auch im Unterricht vorteilhaft sei. So benutzte er sie auch in seiner Schule im Deutschunterricht.
Neben seinen Aufgaben als Lehrer betätigte er sich als Dichter und Übersetzer. In seinen Erzählungen berichtet er vom einfachen Landleben in Schleswig-Holstein. Ein besonderes Anlie­gen war es ihm, den einfacheren Menschen und plattdeutschen Mutter­sprachlern große Literatur näher zu brin­gen. So übertrug er einige bekannte Werke ins Plattdeutsche wie Goethes Reineke Fuchs und Cervantes' Don Quixote. Selbst die Bibel übersetzte er. Dabei nahm er nicht etwa eine direkte, wörtli­che Übersetzung vor, sondern er verwen­dete typische plattdeut­sche Ausdrucksweisen und Redewendungen, so dass seine Werke eher zu leicht verständlichen Nacherzählungen wur­den ("ut frier Hand").
oachim Mähl starb 1909 in Kiel und wurde in Niendorf beigesetzt. Heute erinnert noch eine Straße an den Lehrer und Dichter. Die frühere Joachim-Mähl-Schule hingegen wurde 2010 zu einer "Gemeinschaftsschule mit gymnasialer Oberstufe" erweitert und heißt seitdem "Immanuel-Kant-Schule".
 
Heimatmuseum Reinfeld
Nach der Einführung der preußischen Verwaltung bekam der Flecken 1881 auch ein königlich-preußisches Amtsgericht. Heute beherbergt es das Heimatmuseum. Die beiden Löwen, die den Eingang bewachen, stammen allerdings vom ehemaligen Hotel "Stadt Hamburg".
 
Das nun schneller zunehmende Wachstum des Ortes machte bald auch eine größere Verwaltung erforderlich. So wurde auf dem Grund des zuvor abgerissenen Gasthofs "Zum Nordpol" ein Rathaus gebaut, das 1907 fertiggestellt und seiner Bestimmung übergeben wurde.
Reinfelder Rathaus
 
 
 
 
 
Der große Baum rechts im Bild ist die "Friedensei­che". Sie wurde anlässlich des Endes des deutsch-französi­schen Krieges und zum Gedenken an die Rein­felder Gefallenen 1873 gepflanzt.