Gibt es einen Gott?
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Gibt es einen Gott?
Dies ist sicher eine der ältesten Fragen der Menschheit. Gibt es einen Gott (oder mehrere), ein höheres Wesen, das unsere Welt und letztlich auch uns erschaffen hat, das unser Schicksal bestimmt, das uns am Ende unseres Daseins in ein Paradies geleitet?
Götter gibt es seit Menschengedenken. Sie waren verantwortlich für die Erschaffung der Welt und ihrer Bewohner, für die Jahreszeiten, für Ernten, Blitz und Donner. Naturkatastrophen waren ein Ausdruck des Zorns dieser Götter. Mit ihnen ließ sich alles erklären, was anders nicht erklärbar war, was übernatürlich war. An ihrer Existenz wurde nicht gezweifelt, schließlich waren die Spuren ihrer Tätigkeiten überall sichtbar. Schamanen und Priester nahmen mit ihnen Kontakt auf, um ihren Willen zu erfahren und danach handeln zu können. Beweise für ihre Existenz gab es jedoch nicht.
Seit dem Mittelalter bemühen sich Gelehrte und Theologen, einen so genannten "Gottesbeweis" zu erbringen, der die Richtigkeit ihres Glaubens aufzeigen soll.
Juden und später Christen kennen nur noch einen Gott, der für alles zuständig sein soll. Anselm von Canterbury lieferte im Mittelalter, um 1080 herum, den ersten Gottesbeweis. Der lautete schlicht "Gott ist das, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann." Das war schon damals etwas ungenau, und so erweiterte Anselm seine Aussage, kurz gefasst, in : "Gott ist vollkommen. Zu den Merkmalen der Vollkommenheit gehört die Existenz. Also muss Gott existieren, denn sonst wäre er nicht vollkommen."
Diese Beweisführung hat einen gravierenden Fehler. Sie setzt voraus, dass das zu Beweisende tatsächlich existiert, also Bestandteil des Beweises ist. Somit ist genau genommen nichts bewiesen. Es lässt sich sogar ein Gegenbeweis konstruieren, wenn wir das Alte Testament heranziehen: Warum hat Gott Adam und Eva auf die Probe gestellt? Er hätte den Ausgang des Experiments doch kennen müssen. Warum hat Gott fast die gesamte Menschheit mit einer Sintflut hinweggespült? Offenbar war ihm seine Schöpfung aus dem Ruder gelaufen. Gott ist also nicht vollkommen, auch er maht Fehler. Wenn Vollkommenheit ein Merkmal für seine Existenz ist, dann existiert Gott nicht oder der Schöpfer unserer Welt war nicht Gott.
Das wurde etwa 150 Jahre später auch Thomas von Aquin bewusst. Der Dominikaner stellte die These auf, dass es immer möglich sei, etwas zu denken, das über das bisher Gedachte hinausgeht. Er versuchte es mit Logik und sagte sinngemäß: "Von nichts kommt nichts, es muss einen Anfang geben. Dieser Anfang muss Gott sein." Man muss dabei berücksichtigen, dass es für die Philosophen und Denker des Mittelalters völlig klar war, dass es Gott gibt. Die Frage war also nicht, ob es ihn gibt, sondern allein, wie man seine Existenz beweisen könnte.
Die Beweisführung Thomas von Aquins hielt sich recht lange. Einige hundert Jahre später wurde der Gottesbeweis neu formuliert. Nachdem Naturwissenschaftler mehr über den Menschen und das Leben herausgefunden hatten, sagte man nun, das etwas so komplexes und wunderbares nicht durch Zufall entstanden sein konnte, sondern durch ein höheres Wesen geschaffen worden sein musste. Thomas' Beweisführung hat sich trotz allem bis in in die Gegenwart erhalten. Doch auch dieses Prinzip der "prima causa", der ersten Ursache, hat eine Schwachstelle. Gott ist aus Nichts entstanden oder war schon immer da (der ewige Gott). Wenn es möglich ist, das etwas aus Nichts entsteht oder ewig existiert, ohne Anfang und ohne Ende, dann kann das genauso für uns und unser Universum gelten.
Im Konfirmanden-Unterricht griff unser Pastor darauf zurück. Alles habe einen Anfang, alles komme von Gott, sagte er. Auf die Frage, wenn alles von etwas komme, woher dann Gott selbst komme, kam allerdings die etwas hilflose Antwort "Danach dürfen wir nicht fragen." Ein Schöpferwesen als Ursprung von Allem einzusetzen, beantwortet die eigentliche Frage nach dem Ursprung nicht, sondern verschiebt sie lediglich auf die nächsthöhere Ebene. Nur weil etwas unsere Vorstellungskraft übersteigt, muss es nicht zwangsläufig unmöglich sein. Die moderne Physik versucht gerade zu klären, ob und wie aus Nichts etwas werden kann, Stichwort Vakuumfluktuationen.
Erst 1859 erfahren die verschiedenen Gottesbeweise einen schweren Dämpfer. Charles Darwin veröffentlicht nach langem Zögern, er war selber auch Theologe, sein Werk "Über die Entstehung der Arten". Darin beschreibt er, wie sich Arten anpassen und weiter entwickeln, wenn sich ihre Umgebungsbedingungen verändern, und wie daraus neue Arten entstehen können. Wir kennen das heute als Evolutionstheorie. Selbständige Anpassung durch Auslese, das machte Gott überflüssig. Und die ewig skeptischen Philosophen jubelten "Gott ist tot!" Nach Darwin brauchte es keinen göttlichen Plan mehr, sondern Anpassung und Zufall genügten. Alles eine Laune der Natur? Kritiker verdammten die Evolutionstheorie alsbald. Dazu fand ich auf einer Internet-Seite einen typischen Gegenbeweis, der etwa so geht: Wenn man die Einzelteile eines Uhrwerks in eine Schachtel legt und diese kräftig schüttelt, müsste nach Darwin irgendwann eine funktionierende Uhr entstehen. Da das nicht passiert, ist bewiesen, dass es keine Evolution gibt, sondern doch alles ein göttlicher Plan sein muss.
Diese Darstellung enthält einen Denkfehler. Evolution, Entwicklung, ist die langsame Veränderung von Organismen von einer Generation zur nächsten, bis zur optimalen Anpassung an Lebensbedingungen. Ein Uhrwerk ist unbestreitbar kein lebender Organismus und kann sich auch nicht reproduzieren oder selbständig verändern. Der Vergleich mit Lebewesen ist daher unsinnig. Die "Beweisführung" zeigt nicht, dass es die Evolutionstheorie falsch ist, sondern dass der Urheber des "Beweises" sie nicht verstanden hat.
Kritiker der Evolutionstheorie bringen auch gerne die Statistik ins Spiel und sagen, es sei überaus unwahrscheinlich, dass durch reine Weiterentwicklung höhere, komplexe Lebensformen entstehen. Dabei wird der Evolution unterstellt, sie gehe planvoll vor, mit dem Ziel, etwas Besseres, ein Optimum zu erreichen. Man darf aber die Evolution nicht ohne die Selektion betrachten. Die Natur spielt, sie würfelt, sie erzeugt zufällige Veränderungen. Erst die Selektion entscheidet, welche dieser Veränderungen aufgrund ihrer guten Eigenschaften bestehen bleibt.
Die moderne Kirche hat allen Versuchen, Gott zu beweisen, ein Ende bereitet. Sie sagt ganz einfach "Gott existiert durch den Glauben", und damit sind Beweise nicht notwendig und auch Gott müsse keine Beweise seiner Existenz liefern. Douglas Adams, bekannt als Autor der Sience-Fiction-Komödie "Per Anhalter durch die Galaxis", hat daraus einen Gegenbeweis gemacht. Das Kernstück ist der Babelfisch, den man sich ins Ohr setzt und der in der Lage ist, Hirnwellen von anderen Lebewesen aufzunehmen und in für seinen Träger verständliche Gedanken umzuwandeln, also ein wahrhaft universeller Dolmetscher. Damit kann jeder jeden verstehen, Täuschungen werden unmöglich und die Galaxis erlebt einen dauerhaften Frieden. Der wunderbare Babelfisch gilt nun als Beweis für die Existenz Gottes, da etwas so wundervolles kaum durch Zufall entstehen könne. Da Gott aber nur durch den Glauben existiert, führt der Beweis folglich dazu, dass er nicht mehr existieren kann. Worauf sich Gott frustriert in ein Logikwölkchen auflöst. Ein erfolgreicher Gottesbeweis müsste also dazu führen, dass die Existenz des bewiesenen Gottes endet, sofern sie einzig auf dem Glauben basiert.
In der Mitte des vorigen Jahrhunderts versuchten kirchliche Kreise, die Beweislast umzukehren. Die Ungläubigen sollten doch einmal beweisen, dass es keinen Gott gäbe. Dazu verfasste der englische Mathematiker und Philosoph Bertrand Russell 1952 einen Aufsatz mit einer Analogie, die heute als "Russells Teekanne" bekannt ist. Die Kernaussage ist: "Ich behaupte, dass zwischen Erde und Mars eine Teekanne um die Sonne kreist. Sie ist so klein, dass sie auch von unseren leistungsfähigsten Teleskopen nicht entdeckt werden kann. Jede Behauptung, dass diese Teekanne nicht existiert, ist eine unverschämte Anmaßung." Dieses Gedankenexperiment zeigt, dass jeder Versuch, die Existenz von etwas zu beweisen, das nicht greifbar ist und keine unmittelbaren Auswirkungen hat, anfechtbar ist und somit auch die Beweisumkehr sinnlos ist. Zur Verdeutlichung setze ich das Experiment fort. Wir behaupten, die Teekanne würde nicht existieren. Wie können wir das nachweisen? Wir müssten das ganz Universum absuchen. Wenn wir dann noch annehmen, dass sich die Teekanne bewegen kann, dann müssten wir alle möglichen Orte gleichzeitig kontrollieren. Wenn das Universum auch noch unendlich groß ist, ist das faktisch unmöglich. Es ist also nicht möglich, die Nichtexistenz von Etwas zu beweisen, jedenfalls nicht in der realen Welt (die mathematisch-logische Welt ist dabei ausgenommen, aber darin kommen auch keine Teekannen vor).
Moderne Entsprechungen zu Russells Teekanne sind Religionsparodien wie "Das Unsichtbare Rosafarbene Einhorn" oder "Das Fliegende Spaghettimonster", um die mittlerweile ein richtiger Kult entstanden ist. Die Existenz oder Nichtexistenz dieser beiden Schöpferwesen lässt sicht ebenso wenig begründen oder beweisen wie die jedes anderen Gottes. Über das Einhorn weiß man zumindest sicher, dass es wirklich unsichtbar ist, denn niemand hat es je gesehen. Logisch, oder?
Die moderne Wissenschaft tastet sich immer näher an den Urknall heran und findet immer mehr mögliche Erklärungen dafür, wie das uns bekannte Universum entstanden sein könnte. Damit werden auch neue Gottesbeweise vorgestellt. Einer besagt, dass, wenn das Universum aus dem Nichts entstanden sein soll, es vor dem großen Knall schon Naturgesetze gegeben haben muss, die bewirkten, dass sich das Universum so entwickelte, wie wir es kennen. Jemand müsste also zuvor diese Gesetze definiert haben. Das ist jedoch nur eine Vermutung. Wir wissen nicht, ob die Naturgesetze schon vor dem Urknall bestanden, ob sie sogar ewig und überall gültig sind oder ob sie erst zusammen mit unserem Universum entstanden sind. Dann wäre ein bestehendes Universum ein Zufallsprodukt, doch da theoretisch unzählige Universen entstehen könnten, können durchaus ein paar dabei sein, die "zufällig" funktionieren. Außerdem weiß heute niemand, ob die Naturgesetze, die wir kennen, die einzigen gültigen sind oder ob es für die Aufgabe "belebtes Universum" nicht mehrere verschiedene Lösungen gibt.
Ein weiterer Versuch eines Beweises ist recht einfach gehalten. Er wendet ein Gesetz der Logik an: Da die Wissenschaft bisher nicht beweisen konnte, dass Gott nicht existiert, muss es ihn also geben. Das zugrunde liegende Gesetz ist "A ist nicht B" oder umgangssprachlich: B ist das Gegenteil von A. Wenn A also falsch ist (nicht bewiesen), muss B folglich wahr sein. Dieser Beweis hat zwei Haken. Erstens erinnert die Beweisführung an Russels Teekanne. Da es nicht möglich ist, die Nichtexistenz von etwas zu beweisen, ist die Eingangsgröße der Gleichung weder logisch noch bekannt. Damit kann die Gleichung kein sinnvolles Ergebnis haben. Zweitens ließe sich der "Beweis" auch umkehren: Da die Existenz Gottes nicht bewiesen ist, kann er also nicht existieren. Das ist zwar kein echter Gegenbeweis, denn auch hier kann es keine sinnvolle Antwort geben, aber er zeigt, wie unlogisch die ursprüngliche Behauptung ist.
Es gibt keinen Beweis dafür, dass es einen oder den Gott oder die Götter gibt. Es gibt aber auch keinen Beweis, dass es ihn /sie nicht gibt. Es bleibt am Ende also weiterhin nur der Glaube und es bleibt jedem selbst überlassen, was er glauben möchte. Daraus resultiert auch die Erkenntnis, dass es keine wirklichen "Ungläubigen" gibt, sondern nur Andersgläubige. Denn auch diejenigen, die nicht an einen Gott glauben, glauben an etwas, denn sie haben ebenfalls keine Beweise.
Wissenschaftler, insbesondere Physiker und Astronomen, arbeiten daran, das Geheimnis der Entstehung des Universums zu ergründen. Wenn es gelingt, die "Weltformel" zu finden, wäre dann auch Gott erklärt? Auf eine Formel reduziert und berechenbar? Wenn es uns möglich wird, den Ursprung des Universums physikalisch zu erklären, dann wird Gott überflüssig, zumindest aber nicht unbedingt erforderlich. Oder ist dieser Gott das Universum, ähnlich wie das Brahman der Hindus, eine wesenlose Energie, die das Universum erfüllt und zusammenhält?
Warum glauben Menschen an Götter? Anfangs ging es wohl, wie eingangs erwähnt, vor allem darum, Phänomene zu erklären, für die man keine andere Erklärung hatte als die, das übermächtige Wesen dahinter steckten. Später kam, mit dem bewusstwerden der eigenen Endlichkeit, der Wunsch hinzu, dass mit dem Tod nicht alles zu Ende sein möge. Das jenseits war geboren, für die Guten unter den Menschen auch das Paradies, in dem ein sorgenfreies Weiterleben möglich ist. Heute wird der Glaube von Generation zu Generation weitergegeben, von den Eltern an die Kinder, in der Schule im Religionsunterricht. Was jemand glaubt, hängt vor allem davon ab, was die Eltern glauben und wo jemand geboren wurde. Der Glaube ist also ein Produkt der Umgebung, nicht der eigenen Erfahrung. Deshalb bleiben die meisten Menschen auch bei dem, was ihnen als Kinder beigebracht wurde.