Mein Unwort des Jahres...
- Details
... lautet "Wettbewerbsfähigkeit". Warum? Der Begriff stammt ursprünglich aus der Wirtschaft, wird nun aber auch zunehmend von Politikern, vor allem von Angela Merkel, eingesetzt.
Unternehmen sprechen davon, "die Wettbewrbsfähigkeit verbesern" zu müssen, wenn sie meinen, gegen ihre Konkurrenten nicht mehr ausreichend bestehen zu können. Dahinter verbergen sich dann üblicherweise Maßnahmen wie Lohnkürzungen, Gehaltsverzicht, längere Arbeitszeiten und ähnliche nette Dinge, durch die Unternehmen am Leben erhalten werden oder auch nur die Gewinne weiter gesteigert werden sollen. Bei Staaten, daher die Beliebtheit bei Politikern, bezieht sich der Begriff "Wettbewerbsfähigkeit" gleich auf die gesamte Wirtschaft. Das ist praktisch, denn damit hat man eine einfache Erklärung für die verschiedenen Miseren gefunden. Länder, denen es finanziell und wirtschaftlich schlecht geht, müssen nur einfach "wettbewerbsfähiger" werden und alle Probleme lösen sich in Wohlgefallen auf. Das heißt auch hier vor allem: Kürzungen, also weniger Pensionen und Renten, weniger staatliche Aufträge, niedrigere Mindestlöhne, mehr Subventionen.
Seit sich die Schuldenkrise und damit Eurokrise verschärft hat, wird dieses Unwort wie ein Mantra ständig dahergebetet. Es ändert sich allerdings nichts. Griechenland konnte sich einmal gut selbst versorgen, Portugal und Irland waren wettbewerbsfähig und galten als Musterländer für wirtschaftliche Entwicklung. Es wurde investiert, Autobahnen und Flughäfen gebaut, Investoren mit Steuervergünstigungen angelockt. Bis irgendwann andere wettbewerbsfähiger wurden. Da fiel das Kartenhaus in sich zusammen. Alles war nur auf Pump erkauft.
Der Begriff suggeriert, dass alle Probleme gelöst werden können, wenn alle wettbewerbsfähig sind. Wenn die Herstellkosten und Unternehmenssteuern gesenkt werden und somit Produkte günstiger angeboten werden können, dann steigt auch die Nachfrage ud alles wird gut. Soweit die Theorie. Die Jünger der Wettbewerbsfähigkeit übersehen dabei gerne, dass in stagnierenden oder nur wenig wachsenden Märkten eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit auf der einen Seite zu einer verringerten Wettbewerbsfähigkeit auf der anderen Seite führt. Wenn sich einer ein größeres Stück vom Kuchen nimmt, bleibt für die anderen weniger übrig. Der Kuchen wird nicht größer, nur weil alle Appetit haben.
Die Wettbewerbsfähigkeit ständig zu steigern führt zu einer neuen Runde im Wettkampf jeder gegen jeden, zu einer Abwärtsspirale, in der sich alle gegenseitig zu unterbieten versuchen. Wettbewerbsfähig kann man nicht nur durch niedrige Kosten werden, sondern auch durch Innovationen. Eine verbessserte Wettbewerbsfähigkeit kann also nicht die Lösung aller Probleme sein, wie uns Unternehmen und Politiker gerne gebetsmühlenartig erzählen, sondern sie ist ein Baustein von vielen und muss mit Bedacht eingesetzt werden.